Die Zuhörerplätze im Sitzungssaal reichten nicht, ein paar Stühle mussten hereingetragen werden: Es war eine der Gemeinderatssitzungen in Ursensollen mit dem größten Publikumsinteresse in der jüngsten Vergangenheit. Die allermeisten Gäste waren am Dienstagabend wegen Tagesordnungspunkt drei ins Rathaus gekommen, dem Antrag der Freie-Wähler- und der SPD-Fraktion, die Kooperation mit der Stadt Amberg für ein interkommunales Gewerbegebiet an der Bundesstraße 299 zu beenden.
Doch zunächst schien die Agenda zu wackeln. CSU-Fraktionsvorsitzender Achim Kuchenbecker stellte den Antrag, den Punkt von der Tagesordnung zu streichen. "Die Leute verstehen nicht, dass wir das jetzt übers Knie brechen sollen, so kurz vor der Wahl", begründete er seinen Vorstoß. "Uns hat immer ausgezeichnet, dass wir uns bei wichtigen Entscheidungen Zeit gelassen und die Dinge gemeinsam auf den Weg gebracht haben", sagte er. Doch die Mehrheit wollte das Votum nicht verschieben. Kuchenbeckers Antrag wurde mit 11 zu 6 Stimmen abgelehnt.
Kurz vor der Abstimmung erläuterte Albert Geitner von den Freien Wählern noch einmal die Beweggründe seiner Fraktion. Er erinnerte an das Leitbild, das der Gemeinderat bei einer Klausur ausgearbeitet hat: "Wir waren uns einig, dass wir etwas langsamer tun wollen, was Gewerbegebiete anbelangt." Ihm sei wichtig, dass die Gemeinde jetzt die Wohnbauentwicklung forciert. "Es ist heute einfach nicht mehr zeitgemäß, 80 Hektar Wald zu roden, wenn wir gleichzeitig von Flächensparen, Flächenversiegelung und Klimaschutz reden." Aber auch das sagte Geitner: "Wir können gerne was Neues machen, das hat dann aber nichts mit der bestehenden Zweckvereinbarung zu tun."
Norbert Mitlmeier von der SPD unterstützte Geitner. Er verwies darauf, dass Ursensollen eine von zehn Biodiversitätsgemeinden in Bayern sei und deswegen eine Vorbildfunktion in Sachen Flächenverbrauch und Naturschutz habe. Dass die CSU diese Argumente nicht vom Tisch wischen will, zeigte sich dann recht schnell: "Über das Thema kann man reden", sagte Achim Kuchenbecker, monierte aber, dass dieses "reden" eben nicht stattgefunden habe. "Wir sind in die Gespräche überhaupt nicht einbezogen worden", sagte er. "Es wäre schön gewesen, wenn man mit uns und auch mit den Kooperationspartnern in Amberg vorher gesprochen hätte." Gleichwohl kündigte er aber an, seine Fraktion werde den Antrag mittragen. "Wir sind gut aufgestellt, wir haben auch noch andere Optionen."
Bürgermeister Franz Mädler (Freie Wähler) fasste die Diskussion zusammen und verkniff sich dabei einen Seitenhieb auf die Stadt Amberg nicht. "Wir haben 13 Jahre lang verhandelt. Und 8 bis 10 Jahre davon hatten wir das Gefühl, dass aus Amberg zwei dicke Signale kommen: dafür und dagegen." Von der Zustimmung der CSU zeigte sich Mädler positiv überrascht. "Ich bin dankbar, dass ein Konsens da ist", erklärte er. Etwa eine Stunde nach Beginn der Sitzung fiel dann das Votum - einstimmig für die Absage an die ausgehandelte Zweckvereinbarung.
Mädler kontert Kritik
Der Amberger Oberbürgermeister Michael Cerny (CSU) hatte die sich abzeichnende Entscheidung der Gemeinde Ursensollen in einer ersten Reaktion scharf kritisiert. Dabei griff er auch den Ursensollener Bürgermeister Franz Mädler (Freie Wähler) persönlich an. Er vertraue darauf, "dass der Handschlag eines Bürgermeisters weiterhin einen echten Wert hat", hatte Cerny erklärt. "Das hat mich schon getroffen", sagte Mädler nach der Sitzung am Dienstagabend. "Es gibt keinen Handschlag, mit dem wir zwei am Gemeinderat oder Stadtrat vorbei irgendetwas ausgemacht hätten." Es gebe vielmehr ein gemeinsames Ziel, "die Region zu stärken".
Raum für neue Ideen
Der Ursensollener Gemeinderat hat am Dienstagabend eine Tür zu und eine andere Tür aufgemacht. Die Kooperation für das geplante, fast 100 Hektar große, gemeinsame Gewerbegebiet mit der Stadt Amberg ist beendet. Allerdings haben die Gemeinderäte einhellig davon gesprochen, dass dies nicht das Ende der Zusammenarbeit bedeuten muss.
Wenn der Beschluss nun einen Neustart der Verhandlungen bedeutet, dann ist überhaupt nichts verloren. Denn wie bei der Gemeinderatssitzung zu erfahren war, befindet sich ein Großteil des zur Debatte gestandenen Areals immer noch in Privatbesitz. Es ist äußerst fraglich, ob die Vorhabensträger jemals an die gewünschten Grundstücke gekommen wären. Mal ganz abgesehen von möglichen Protesten und Klagen, die gegen ein solches Großprojekt zu erwarten gewesen wären. Und ohne zu berücksichtigen, dass auch die übergeordneten Behörden wohl auch noch ein Wörtchen mitgeredet hätten.
„Wir wollen neuen Ideen Raum geben“, sagte ein Gemeinderat kurz vor dem Votum am Dienstagabend in Ursensollen. Mit diesem Bekenntnis ist die Gemeinde auf einem guten Weg. Die Stadt Amberg auch. Es bleibt ihr ja auch gar nichts anderes übrig.
Uli Piehler