Weiden in der Oberpfalz
19.02.2024 - 17:23 Uhr

Der Kampf der Inge Wirtz-Roegner um die Porträts aus der "Kupfer-Villa"

Peter Kupfer ging 1979 auf Spurensuche – er lernte bei seinem ersten Besuch in Weiden die Redakteurin Inge Wirtz-Roegner kennen. Sie half ihm, die einzigen Gegenstände zurückzubekommen, die aus der zerstörten "Kupfer-Villa" geblieben sind.

Folge 4 – Der Kampf um die Porträts

Der wertvollste Gegenstand, den Robert 1937 aus der Oberpfalz mit nach New York gebracht hatte, war ein Fotoalbum. Denn ohne dieses Album wäre das Leben von seinem Sohn Peter Kupfer wohl völlig anders verlaufen. Das Fotoalbum war voller Bilder vom damaligen Familienalltag der Kupfers, von Reisen und Landschaften. Das Fotoalbum war und ist heute noch wie ein Fenster in ein früheres Leben. Ein Leben, in dem Robert Cooper noch Kupfer hieß und Sohn einer erfolgreichen Unternehmerfamilie war.

"Es gab dieses Fotoalbum, das er mitgebracht hatte. Und in diesem Fotoalbum waren diese vielen Bilder von elegant gekleideten Menschen, schönen Gebäuden und beeindruckenden Landschaften in Bayern oder woanders in Europa. Das weckte mein Interesse. Ich wollte mehr über sein altes Leben erfahren. Denn es schien wirklich anders zu sein, als das Leben, das wir zusammen in den USA führten. Wir hatten ein gutes Leben, aber wir waren eben Mittelklasse, ich war nie traurig deswegen, (...) aber es war eben ein einfaches Leben in der Mittelschicht der Gesellschaft. Und dann gab es diese Fotografien, auf denen mein Vater diese umwerfenden Anzüge trug und einen großen Mercedes fuhr. Er bereiste Kurorte wie Karlsbad. Die Bilder waren voller toller Anzüge und wunderschönen Frauen. Für mich war das sehr aufregend. Ich fragte meinen Vater immer: Wo wurde das aufgenommen? Was hast du da gemacht? Aber er wollte einfach nicht darüber sprechen. Ich denke, es war zu schmerzvoll für ihn, was mit seiner Familie passiert ist. Er blockte total ab. Es wirkte für mich so, als habe sein Leben gestartet, als er in den USA angekommen ist. Er wollte nicht mehr über seine Vergangenheit nachdenken", erklärt Peter Kupfer.

Der 72-jährige Peter lebt heute nicht mehr an der amerikanischen Ostküste, wo er geboren wurde und aufgewachsen ist, sondern in San Francisco an der US-Westküste. Er arbeitet dort als Autor und Journalist. In seinem Leben ist viel passiert: 1986 änderte er seinen Namen offiziell wieder von Cooper in Kupfer um, inzwischen besitzt Peter auch wieder die deutsche Staatsbürgerschaft, zudem wurden dank seines Einsatzes 2022 in der Bahnhofstraße die ersten Stolpersteine Weidens verlegt. Zwölf Stolpersteine erinnern dort, wo einst die "Kupfer-Villa" stand, an seine Vorfahren. Und vor allem mit seinem Buch "The Glassmaker’s Son – looking for the world my father left behind in Nazi-Germany" sorgt er dafür, dass diese Geschichte niemals vergessen wird.

Nicht zu träumen gewagt

Die Oberpfalz ist nun wie eine zweite Heimat für ihn. Doch wie ist es dazu gekommen? Alles begann, als Peter Kupfer 28 Jahre alt war, denn da beschloss er, dass die Zeit endlich reif war, die Neugier bezüglich des alten Lebens seines Vaters in der Oberpfalz zu stillen. Im Jahr 1979 reiste er erstmals nach Weiden, um auf Spurensuche zu gehen. Was er in Deutschland dann alles herausfinden und erleben sollte, das hatte er zuvor wohl nicht zu träumen gewagt.

Auf seiner Suche nach Antworten auf die vielen Fragen, schaute Peter auch im Verlagsgebäude von "Der neue Tag" vorbei. Er traf dort auf Inge Wirtz-Roegner. Sie war Redakteurin, sollte später Chefin der Weidener Lokalredaktion werden. Inge Wirtz-Roegner war wie ein Jackpot für Peter Kupfers Spurensuche. Denn sie hatte Kontakte, vor allem auch zu den wichtigen Menschen in der Glasindustrie, der jüdischen Gemeinde und der Lokalpolitik. Doch dass Peter Kupfer an diesem Freitag, den 14. September 1979, die Weidener Redakteurin kennengelernt hatte, sollte nicht die einzige Überraschung an diesem Tag für ihn bleiben. Denn genau in dem Moment als beide miteinander im Verlagshaus sprachen, begann ein Kollege in der Nähe ihres Schreibtisches laut zu rufen: "Kupfer". Und klopfte hektisch auf eine Seite der aktuellen Zeitungsausgabe des NT. Auf ihr stand ein Artikel mit der Überschrift "Eine Fabrik schließt ihre Tore" und dem Untertitel: "Flachglas Weiden: Ab heute rauchen keine Kamine mehr. Fast 90 Jahre ‚Gloaserer‘ sind damit Vergangenheit." Und der Text begann folgendermaßen: "Eine Fabrik, die zusammen mit der Kleinstadt Weiden von der Jahrhundertwende an gewachsen ist, schließt ihre Tore. Doch die Produktion und damit auch die Arbeitsplätze bleiben in der Nachbarschaft erhalten. Bei Weiherhammer ist eine neue ‚Hütte‘ aus dem Boden gewachsen."

Und auch die Kupfers wurden in dem Artikel erwähnt. Denn: Es handelte sich exakt um die Weidener Glasfabrik, in der Otto Kupfer Fabrikdirektor war. Es war die Fabrik, die einst den Kupfers gehörte. Und Peter Kupfer? Der schaute an diesem Tag tatsächlich noch dort vorbei und nahm als spontaner Ehrengast an der aller letzten Konferenz teil, die in der Weidener Glasfabrik abgehalten wurde.

Eine Freundschaft fürs Leben

Zwischen Inge Wirtz-Roegner, sie ist heute 89 Jahre alt, und Peter Kupfer entstand eine Freundschaft fürs Leben, die trotz aller Sprachbarrieren hielt. Denn Peter Kupfer tat sich schwer mit der deutschen Sprache und Inge Wirtz-Roegner beherrschte nur ein wenig Englisch, eine Sprache, bei der sie sich auch von Songtexten und Filmen inspirieren ließ. Als Peter Kupfer am Ende seines ersten Besuches in Weiden in den Zug stieg, versprach Inge ihm also Folgendes: "See you later, alligator."

Einige Wochen nach seinem ersten Besuch in Weiden, erhielt Peter einen Brief von Inge. Sie war von einer älteren Frau kontaktiert worden, die einst Haushälterin im Haus seines Großvaters Otto Kupfer war. Die ehemalige Haushälterin erzählte Inge, dass sie gebeten wurde, zwei Ölgemälde von Eduard und Franziska Kupfer sicher zu verwahren, als deren Kinder Mina und Otto die "Kupfer-Villa" verkaufen und umziehen mussten. Sie bewahrte die Porträts seit jeher in der Hoffnung auf, sie eines Tages an die Kupfers zurückgeben zu können. Doch leider war sie zu diesem Zeitpunkt schon knapp 90 Jahre alt und verstarb, bevor sie die Bilder auch zurückgeben konnte. Die Bilder erbte nun die Nichte der Haushälterin. Doch diese wollte Geld für die einzigen Gegenstände, die aus der zerstörten "Kupfer-Villa" verblieben sind. Inge Wirtz-Roegner nahm sich der Sache an und gab nicht auf – auch wenn die Jahre verstreichen sollten.

Erst als sich in der Familie, welche die Bilder zu diesem Zeitpunkt besaß, ein schrecklicher Verkehrsunfall ereignete, bei dem der Vater starb, erklärte sich dessen Frau bereit, die beiden Porträts an die Kupfers zurückzugeben. Knapp 28 Jahre, nachdem sich die ehemalige Haushälterin aus der "Kupfer-Villa" bei Inge Wirtz-Roegner gemeldet hatte, und knapp 67 Jahre, nachdem Otto und Mina ihre Heimat verlassen mussten, waren die Bilder von Eduard und "Fanny" nun endlich wieder in den Familienbesitz zurückgekehrt. Peter Kupfer nahm sie 2007 mit zwei Cousins entgegen. "Ich werde den Moment nie vergessen, als sie mit den zwei Bildern dann hier durch mein Gartentor gekommen sind. Ich habe geheult wie ein kleines Kind – vor Freude", sagt Inge Wirtz-Roegner.

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