Folge 5 – Die Hütterer
In Weiherhammer begann 1979 ein neues Kapitel für die Oberpfälzer Glasmacher, denn hierher zogen die Arbeiter der ehemaligen Deutschen Tafelglas AG (Detag) aus Weiden. Der Grund für den Umzug war, dass einfach mehr Platz für die Glasherstellung benötigt wurde. Auch Peter Kupfer, seine Vorfahren hatten die Detag 1932 mitgegründet, war übrigens in diesem Werk schon mehrmals zu Gast – zuletzt, als er im Jahr 2007 bei einem Besuch in der Oberpfalz die Gemälde von Eduard und "Fanny" Kupfer zurückerhielt. Er durfte das Werksgelände in Weiherhammer (Landkreis Neustadt an der Waldnaab) besichtigen. Organisiert hatte diesen Besuch seine Oberpfälzer Freundin fürs Leben, Inge Wirtz-Roegner. Empfangen wurde er vom damaligen Werksleiter Reinhold Gietl. Mit im Gepäck hatte Peter 2007 seine beiden Cousins: Paul Sinclair aus England und David Mangel aus Frankreich.
Empfangen wurden sie wie Staatsgäste. Denn bevor Gietl im Glasmacherwerk zu arbeiten begann, war er zwölf Jahre lang bei der Bundeswehr. "Bestimmte Dinge gehören für mich zum Stil und zum Anstand einfach dazu", sagt der heute 66-Jährige. Als die Kupfer-Cousins in Weiherhammer ankamen, wehten also die amerikanische, die britische und die französische Flagge vor dem Werksgelände. "Die meisten sind zutiefst berührt und registrieren das", sagt Gietl. Doch nicht nur der Empfang, sondern auch die moderne Glasfabrik hatte Eindruck bei den drei Kupfers hinterlassen. "Sie waren teilweise sehr berührt von dem, was da aus dem Erbe geworden ist", erklärt Reinhold Gietl.
Namen im Wandel
Und das Erbe der Kupfer-Glas-Dynastie besteht weiterhin. Von der ehemaligen Detag, ihre Zeit endete offiziell 1970, existieren heute noch drei Unternehmen in der Oberpfalz, die aus ihr hervorgegangen sind. Das ist Pilkington in Weiherhammer, wo Glas hergestellt wird, das ist Flachglas in Wernberg-Köblitz, wo Glas weiterverarbeitet wird, und das ist Mitras Materials in Weiden – dort steht aber kein Glas, sondern Kunststoff im Fokus. Das Werk in Weiherhammer trug früher den Namen Flachglas, heute wird es Pilkington genannt. Aktuell gehört das Werk zur japanischen NSG-Gruppe.
Rund 450 Menschen arbeiten derzeit in Weiherhammer. Sie gelten weltweit als Experten für spezielle Glasaufträge – auch für Aufträge, die für andere vielleicht unmöglich erscheinen. Das Glas aus Weiherhammer ist beispielsweise in der Berliner Reichstagskuppel, dem Flughafen in Hongkong und der neuen Apple-Zentrale im kalifornischen Cupertino verbaut. Das Firmengelände in Weiherhammer ist grob 900 mal 400 Meter groß, die Herzstücke sind die zwei Float-Linien – zu jeder gehört eine Wanne. "Jede kann 800 Tonnen Glas am Tag schmelzen", sagt Gerhard Ruhland. Der 56-Jährige hatte 2020 die Werksleitung von Reinhold Gietl übernommen. "In der Wanne haben wir 1600 Grad, also schön kuschlig", fügt Ruhland an.
15.000 Quadratmeter Glas
Knapp 20 Kilometer südlich von Weiden steht das 80.000 Quadratmeter große Werksgelände der Flachglas-Gruppe in Wernberg-Köblitz (Landkreis Schwandorf). "15.000 Quadratmeter Glas laufen täglich durch unsere Maschinen", erklärt das Unternehmen. Rund 600 Menschen arbeiten laut eigenen Angaben am Standort.
Das Glas aus Wernberg-Köblitz ist zum Beispiel in der Microsoft-Zentrale in München oder dem Axel-Springer-Gebäude in Berlin verbaut. Das Werk existiert seit 1938. Im Jahr 1949 wurde es von der Detag gekauft. 1980 erfolgte die Übernahme der Aktienmehrheit durch Pilkington. Inzwischen hat sich der Standort aber zur Flachglas Wernberg GmbH verselbstständigt.
Eine Firma setzt auf Kunststoff
"Die Historie? Sie wurde mir bei meinem Start natürlich erzählt", sagt Andreas Strobel. Denn der 44-Jährige ist erst seit circa sechs Wochen Geschäftsführer von Mitras Materials. Seine Firma unterscheidet sich von den anderen beiden Detag-Nachfolgern gleich in zwei Punkten. Zum einen: Bei Mitras Materials wird kein Glas, sondern Kunststoff verarbeitet. "Wir entwickeln, produzieren und verkaufen thermoplastische Halbzeuge in Form von Kunststoffplatten", erklärt das Unternehmen, für das circa 160 Menschen arbeiten und das bis zu 70 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht.
Der andere große Unterschied? Mitras Materials befindet sich tatsächlich noch auf dem ehemaligen Firmengelände der Weidener Glasfabriken – also da, wo einst Peters Großvater Otto Kupfer als Direktor die Geschicke leitete. Das Kunststoff-Unternehmen blickt auf eine rund 60-jährige Geschichte zurück, es wurde von den Glasmachern gegründet. Andreas Strobel erklärt: "Die Welt hat damals gemeint, dass Kunststoff das Glas irgendwann ersetzen wird. Doch sie existieren heute wunderbar nebeneinander."
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