Mit ihren roten Holzbrettern erinnert die alte, zweistöckige Baracke am Bergsteig ein bisschen an Schweden oder Norwegen. Doch dem Amberger Stadtrat stand der Sinn am Dienstagabend nicht nach Pippi Langstrumpf oder Bullerbü. Es ging vielmehr um die Frage, ob diese Baracke, die um 1940 auf dem Gelände des damaligen Heeresnebenzeugamts in Fertigbauweise errichtet worden ist, abgerissen werden kann - oder ein nahezu unersetzliches Denkmal darstellt.
Zum Hintergrund: Anfang Juni 2022 hat die Stadtbau GmbH, eine städtische Tochter also, den Antrag gestellt, die Baracke Breslauer Straße 9, 11 und 13 abbrechen zu dürfen, um hier sechs sozial geförderte Wohnungen errichten zu können. Der Haken dabei: Seit 2000 steht dieses Baracke - wie die einstöckige daneben auch - unter Denkmalschutz. Es müssen also schon triftige Gründe vorliegen, um so ein Denkmal mir nichts, dir nichts beseitigen zu können.
Stadtbau bleibt Belege schuldig
Die liegen aber nach Ansicht des von der Baubehörde eingeschalteten Landesamts für Denkmalpflege nicht vor. So habe die Stadtbau GmbH weder ihre Behauptung belegt, dass das Gebäude marode und nicht mehr zu sanieren sei. Noch habe sie objektiv nachvollziehbar aufgezeigt, dass es "keine technische Handlungsoption zum Erhalt des Baudenkmals" gibt, wie es im schönsten Bürokratendeutsch im Schreiben des Landesamtes heißt.
Letztlich unmöglich machen einen Abriss aber nach Einschätzung des Landesamts für Denkmalpflege mehrere Tatsachen. So habe die Stadtbau 2001 die Baracke in dem Wissen erworben, dass sie ein Jahr zuvor in die Denkmalliste aufgenommen worden war. Das Landesamt weist darüber hinaus darauf hin, dass sich juristische Personen, die mehrheitlich im Staatsbesitz sind - und das ist die Stadtbau zumindest im weitesten Sinne - ohnehin nicht darauf berufen können, die Sanierung eines Denkmals sei für sie unzumutbar.
Verstoß gegen die Verfassung?
Als ob das nicht reicht, zitiert das Landesamt für Denkmalpflege Artikel 141, Absatz 2, der Bayerischen Verfassung. Nach dem darin formulierten Staatsziel haben "Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts unter anderem die Aufgabe, die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft in all ihrem Handeln aktiv zu schützen und zu pflegen und herabgewürdigte Denkmäler der Kunst und der Geschichte möglichst ihrer früheren Bestimmung wieder zuzuführen."
Was umgekehrt bedeute: "Aus den genannten Gründen wäre damit die Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis auf Basis der vorliegenden Unterlagen nicht nur als eklatanter Verstoß gegen das Denkmalschutzgesetz zu bewerten, die Stadt Amberg würde damit auch unmittelbar gegen ihre in der Bayerischen Verfassung (Art. 141 Abs. 2) definierten Pflichten verstoßen." Logische Folge: Die Verwaltung schlägt dem Stadtrat vor, die Abbrucherlaubnis nicht zu erteilen.
Der allerdings ist mehrheitlich völlig anderer Meinung. "Wenn man in Amberg etwas verhindern will, kommt man mit dem Denkmalschutz", zürnte am Montagabend beispielsweise SPD-Fraktionsvorsitzende Birgit Fruth. Ihr CSU-Kollege Matthias Schöberl geht noch ein Stück weiter. In einer emotionalen Rede zerpflückte er das Schreiben des Landesamts. "Wir entscheiden und das Landesamt hat sich zu fügen", antwortete er auf die Aussage, die Stadt Amberg verstoße eventuell sogar gegen die bayerische Verfassung.
Will das Landesamt einschüchtern?
"Das Landesamt hat die Verfassung missbraucht, um uns einzuschüchtern", so Schöberl wörtlich. Man wolle am Bergsteig modernen Wohnraum schaffen - und der sei in der alten Baracke einfach nicht möglich. Auf der einen Seite, so Schöberl, behaupte das Landesamt, die Baracke sei prägend für den Bergsteig, an anderer Stelle schlage es aber als "ultima Ratio" eine Versetzung an eine andere Stelle vor. "Ich frage mich, ob die ihre Stellungnahme eigentlich ernst nehmen?", sagte Schöberl.
"Mit dem Abriss wird auch die Geschichte des Bergsteig verschwinden", warnte Hannelore Zapf (Liste Amberg) vor dem vorschnellen Einsatz der Abrissbirne. Sie habe den Eindruck, so sagte die Stadtführerin, in Amberg ende die Geschichte an der Stadtmauer. Die Bereiche außerhalb würden nicht einbezogen. Generelle Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Abbruchs äußerte unter den gegebenen Umständen Josef Witt (ÖDP). Diese Einschätzung teilt übrigens auch die städtische Baujuristin Jasmin Hannich: "Meiner Einschätzung nach ist der Abbruch rechtlich nicht möglich", sagte sie. "Man kann aber auch anders entscheiden", urteilte hingegen der zweite städtische Jurist im Saal, Rechtsreferent Bernhard Mitko. Allerdings müsse der Oberbürgermeister in dem Fall, dass er einen Beschluss des Stadtrats für möglicherweise rechtswidrig halte, dann die Rechtsaufsicht bei der Regierung der Oberpfalz einschalten. Womit die Verwirrung endgültig war.
Kompromiss von Martin Preuß
Gut, dass Bürgermeister Martin Preuß auch im Bezirkstag sitzt und unlängst einen ähnlichen Fall dort hatte. Der, ein Pferdestall aus Fertigteilen aus der gleichen Erbauungszeit wie die Bergsteig-Baracken, landet jetzt im Freilandmuseum der Oberpfalz in Neusath-Perschen. Eventuell könne man ja auch die Amberger Baracke als Zeugnis dieser Zeit direkt daneben aufbauen. "Welchen Wert hat die Baracke für den Bergsteig, welchen Wert hat sie für das Landesamt?"
Die Frage stellte schließlich Oberbürgermeister Michael Cerny. Für den Bergsteig sei der Wert untergeordnet, beantwortete er die erste Frage. "Wenn sie für das Landesamt aber so einzigartig ist, soll es einen Weg aufzeigen, wie sie erhalten werden kann." In Folge stimmte der Stadtrat gegen die Stimmen der Grünen, der Liste und der FDP gegen den Erhalt der Baracke als Denkmal und damit für den Abriss. Dem Landesamt für Denkmalpflege macht man in dem Beschluss das "Angebot", die Baracke abzubauen und an andere Stelle wieder zu erreichten, um sie als Denkmal zu erhalten.
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