Was ist nur so spannend an Johanniskraut und Süßdolde, dass man sich eineinhalb Stunden über Kraft und Saft der unscheinbaren Kräuter erzählen lassen mag? Und sich sogar noch auf eine Warteliste setzen lässt, nur um bei dem Vortrag der Oberpfalz-Medien am Montag dabei zu sein? Markusine Guthjahr, Landfrauenberaterin, Kräuterexpertin und Buchautorin, spricht in der Reihe "Aus der Speisekammer der Natur" über "Pflanzenschätze - die bäuerliche Naturapotheke neu entdeckt". Der Vortrag ist kaum angekündigt schon ausgebucht. Es gibt am Ende sogar eine Warteliste für den Fall, dass ein Platz frei wird. Aber es ist offenbar ein reines Frauenthema, unter den 50 Zuhörern sind gerade einmal vier Männer. Viele der Frauen haben offensichtlich schon Erfahrung im Umgang mit Kräutern, die Fragen zeugen davon.
Erdäpfl-Kas
Mehrmals kündigt Markusine Guthjahr an, man könne später kosten, riechen, blättern - und an Blättern zupfen. Und als es dann tatsächlich nach einer guten Stunde ans Kosten und Befühlen geht, ist das Interesse groß. Die Referentin hat kaum genug Bücher dabei und muss viele Fragen beantworten. Ihre Rosmarin-Kipferln (Rezept siehe Kasten) und der Erdäpfel-Kas, früher ein Arme-Leute-Essen, die sie zum Probieren mitgebracht hat, sind schnell aufgegessen.
Aber was ist denn nun so interessant an Johanniskraut und Süßdolde? Die Bäuerin vor 150 Jahren mag mit Spitzwegerich-Sirup oder einem heißen Fußbad mit Holunderblüten die aufkommende Erkältung ihrer Kinderschar bekämpft haben. Man mag einst gerollte Salbeiblätter zur Kräftigung des Zahnfleisches gekaut, Johanniskraut-Tee zur Stimmungsaufhellung getrunken haben. Aber heute? In Zeiten von Erkältungssäften aus der Apotheke und Antidepressiva? Markusine Guthjahr warnt eindringlich davor, die Kräuterapotheke als Ersatz für den Gang zum Arzt zu betrachten. "Alles hat seinen Platz", sagt sie. Und meint damit die Erzeugnisse der Pharma-Industrie.
Uraltes Wissen
Aber vieles sei in einem Anfangsstadium mit Naturheilmitteln zu kurieren. Und sie gibt zu bedenken, dass die Naturheilkunde deutlich älter sei als die Pharmazie. Die Bäuerin sei früher auch Ärztin und Apothekerin ihrer Familie gewesen, die ihr Wissen an die Kinder, in erster Linie die Mädchen, weitergegeben habe. Neben diesem Volkswissen hätten vor allem die Klöster einen Erfahrungsschatz über die Heilkräfte der Natur konserviert. Doch auch hier warnt die Expertin, kritisch zu sein: "Nicht alles, was in den alten Büchern steht, ist heilig." Die Forschung sei vorangeschritten, manches habe sich bestätigt, manches erledigt.
Markusine Guthjahr nimmt sich an diesem Abend zwei Themen vor: jahreszeitenbedingt die Abwehr von Erkältungen und nachfragebedingt die Hilfe bei Schlafstörungen und Nervosität. Und sie möchte eigenem Bekunden nach, dass ihre Zuhörer die Tipps gleich in den nächsten Tagen ausprobieren können. Sie erzählt folglich nur von Hausmitteln, die jeder in der Küche hat, beziehungsweise solchen, die man aktuell noch im Garten oder im Wald ernten kann.
Kleine Geschichten rund um die jeweiligen Gewächse verankern das Gehörte zusätzlich in den Gehirnen der Zuhörer. Guthjahr erzählt zum Beispiel davon, dass in der ehemaligen DDR Heimkinder abends ein Zwiebelbrot vorgesetzt bekamen - zur Abwehr von Erkältungen. Sie selbst esse morgens eine halbe Zwiebel aufs Brot geraspelt, wenn die Husten- und Schnupfen-Zeit nahe. Eine scharfe Zwiebelsuppe sei ein probates Mittel, wenn sich schon erste Anzeichen einer Erkältung zeigten, "die treibt einem alles raus".
Kreuzblütler tun Gutes
Grundsätzlich könne man dem Immunsystem im Winter viel Gutes tun mit den diversen Kreuzblütlern wie Senf, Meerrettich, Kresse oder den verschiedenen Kohlarten. Und wenn der Magen nach dem Genuss roher Zwiebeln rebelliert, fragt eine Zuhörerin. Dann könne man die Zwiebeln auch kochen oder andere Zubereitungsarten testen, keinesfalls solle man sich aber selbst kasteien oder quälen, das sei nicht Sinn der Sache, sagt Guthjahr.
Die Kräuterexpertin stellt den "Tausendsassa" Ringelblume vor, das Vitamin-C-Wunder Brennnessel und die "wunderbare Pflanze" Löwenzahn, die allein geeignet sei, einen ganzen Abend zu füllen. Sie veranschaulicht die zahnpflegenden Eigenschaften des Salbeis, die schleimlösenden Kräfte des Majorans und die umfassenden nutzbringenden des Holunders, der "Apotheke vor der Haustür". Guthjahr rät, sich einen Vorrat an selbst getrockneten Tees anzulegen ("da wissen Sie, was Sie haben"). Sie rät gleichzeitig immer wieder zur Vorsicht: Die Kräuter müssten sicher identifiziert werden, manche hätten ungenießbare oder giftige Zwillinge in der Natur.
Rosmarin-Kipferl
Zutaten:
200 Gramm Weizenmehl (Type 1050)
100 Gramm Butter
2 Esslöffel Bienenhonig
1 Esslöffel Schmand
2 Esslöffel frische Rosmarinblätter
1 Messerspitze Backpulver
1/2 Zitrone (ungespritzt, abgerieben)
1 Eigelb zum Bestreichen
1 Prise Salz
Zubereitung:
Schaummasse rühren aus Butter, Honig und Salz. Mehl und Backpulver zusieben, mit Schmand und feingewiegten Rosmarinblättern verkneten (einige Rosmarinblätter zum Verzieren ganz lassen). Den Teig als Rolle formen und eine Stunde kalt stellen. Den Ofen vorheizen (zirka 180 Grad).
Den Teig in kleine Scheiben schneiden, daraus mit der Hand Kipferl formen und auf ein ungefettetes Backblech legen. Eigelb mit einem Teelöffel Wasser verschlagen und damit die Kipferl bestreichen. Einige Rosmarinblätter auf die Kipferl legen. Bei Mittelhitze goldgelb backen. (eig)
Heißer Holundertrunk gegen Erkältung
Zutaten:
1/2 Tasse Holunderbeerensaft
1/2 Tasse heißes Wasser oder heißer Früchtetee
Saft einer halben Zitrone
Honig nach Geschmack
Zubereitung:
Holunderbeerensaft in eine Tasse geben. Die Tasse mit heißem Wasser oder Tee auffüllen. Zitronensaft dazugeben und nach Belieben mit Honig süßen. Sofort trinken. Mehrmals täglich wiederholen.
Zwiebelsirup bei Schnupfen
Drei Zwiebeln hacken. Fünf Esslöffel braunen Kandis und einen Viertel Liter Wasser zugeben. Ein paar Minuten kochen. Dann den Sud einige Stunden ziehen lassen und abseihen. Täglich vier- bis fünfmal einen Esslöffel Zwiebelsirup einnehmen.
Schönheitstipp: Apfel-Ei-Maske
Einen leicht säuerlichen Apfel schälen, fein reiben und mit einem Eigelb verrühren. Auf das gereinigte Gesicht auftragen und zehn Minuten einwirken lassen. Danach mit lauwarmem Wasser abwaschen. „Die Apfelsäure in der Maske hat eine erfrischende und straffende Wirkung auf die Haut“, so Markusine Guthjahr.
Pikante Zwiebelsuppe
Zutaten:
500 Gramm Zwiebeln
3 bis 4 Esslöffel Öl
1 Liter Gemüsebrühe
1/4 Liter Weißwein
1 Teelöffel getrockneter Majoran
Salz, Pfeffer aus der Mühle (oder Tabasco-Soße)
Zubereitung:
Zwiebeln schälen, in feine Ringe schneiden und in Öl goldgelb andünsten. Majoran zugeben. Mit Gemüsebrühe und Wein aufgießen. 10 bis 15 Minuten leicht kochen lassen. Mit Salz, Pfeffer oder Tabasco pikant abschmecken. Heiß servieren.
Tipp: Nach Belieben kann die Suppe mit Käse-Toast überbacken werden.
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